Von Freetown nach Accra

Der Empfang im Flughafen war – anders als in Freetown – bestens vorbereitet. Direkt nach dem Ausstieg mussten sich alle einem vor Abflug gebuchten PCR-Test unterziehen. Es gab mehrere voneinander getrennte Kabinen und es lief wie am Schnürchen. Währenddessen war unsere Ankunft in Freetown das reinste Chaos. Auch dort mussten man sich einem PCR-Test unterziehen, aber es war ein heilloses Durcheinander und wir mussten lange auf unser Ergebnis warten, bevor wir den Flughafen verlassen durften. In Accra erwartete uns heißes Wetter um die 34 Grad Celsius, jedoch war die Hitze nicht so schwül wie in Freetown, sondern eher trocken und für mich besser erträglich. Insgesamt machte für mich die Hauptstadt von Ghana schon einen wesentlich weiter entwickelten Eindruck als Freetown in Sierra Leone. Die Herausforderungen für die Bevölkerung bleiben aber nach Rücksprache mit unserem Projektpartner die gleichen. Hohe Arbeitslosigkeit, enorm gestiegene Lebensmittelpreise und Korruption überall.

Bolgatanga mit Hindernissen

Von Accra aus ging es mit einer kleinen Maschine weiter nach Tamale und von dort aus mit David Moari, unserem Partner vor Ort, per PKW nach Bolgatanga. Unterwegs hatten wir leider zwei Autopannen, die uns Zeit kosteten, aber schlussendlich kamen wir heil und gesund an.

In Bolgatanga unterstützen wir ein Waisenheim und eine Schule. Auf dem Weg dorthin fiel mir die relativ gut ausgebaute Straße auf. Sie führt schnurgerade vom Hafen von Accra nach Burkina Faso. Hier reihen sich die LKW wie Perlen an der Schnur, da Burkina Faso keinen Anschluss an einen Hafen hat und so fast alle Waren über Ghana ins Land gebracht werden. Und wie auch schon in Sierra Leone gesehen, wurde diese Straße mit Hilfe chinesischer Mittel gebaut und eine Mautstelle eingerichtet. Auch bei meinem Besuch in Uganda hatte ich festgestellt, dass China seine Investitionen in Afrika massiv ausweitet und in Infrastruktur investiert. Im Gegenzug dazu erhält es Zugang zu Rohstoffen, eruiert Länder zunehmend als Produktionsstandorte für die Industrie und sichert sich Zugang zum wachsenden Konsumgütermarkt des Kontinents. Insgesamt hat sich nach meinem Besuch mal wieder die Frage gestellt, warum die Länder der Subsahara-Region nicht in den Aufbau einer eigenen Industrie und Produktion investieren. Viele Länder haben m.E. gute Voraussetzungen und einen Reichtum an Rohstoffen und ertragreiche landwirtschaftliche Güter. Doch trotz dieser guten Bedingungen profitiert die Bevölkerung kaum von diesem Reichtum. Korruption und Vetternwirtschaft prägen das Bild der Regierungen. Rohstoffe werden für relativ kleines Geld exportiert und nicht direkt im Land weiterverarbeitet. Stattdessen überlassen es die Regierungen ausländischen Investoren, dies künftig in die Hand zu nehmen. Die Rohstoffinitiative der EU stellt da auch keine bessere Haltung dar. Es stellt sich für mich ein Gefühl des Ausverkaufs ein.

So wollten Chinesen in Tamale in Ghana eine Straße im Austausch für eine Diamantenmine bauen. Dies wurde von der Regierung unterstützt und der Bau der Straße begann. Die Minengesellschaft jedoch stimmte dem Deal nicht zu und die Arbeiten an der Straße wurden sofort eingestellt. Die Regierung zahlt nicht. Mit der Konsequenz, dass nun mitten durch Tamale, der am schnellsten wachsenden Stadt Westafrikas, eine permanente Baustelle als Nadelöhr führt. Für mich fühlt sich das nicht gut an, eher nach moderner Kolonialisierung, aber ich bin keine Expertin und möchte hier nicht zu politisch werden.

Schule in Bolgatanga

Die Schule beherbergt 160 Kinder im Grundschulalter und 20 Jugendliche in der Junior High School. Die Lehrer, Kinder und Jugendlichen erwarteten uns schon, führten Tänze vor und trugen uns auch selbst verfasste Gedichte in der Art von Poetry Slam vor.  Die Schule macht einen sehr guten Eindruck. Hier durften wir in der Vergangenheit eine Solaranlage für das Schuldach fördern und Schulmaterial beisteuern. Die Schulleitung bat um Unterstützung beim Aufbau eines Community-College für die Ausbildung von Jugendlichen. Das Thema ist uns als Inter-Mission wichtig geworden. Wir sehen zunehmend, dass nachhaltige Veränderung der Lebensverhältnisse nur durch einen Job machbar ist und wollen verstärkt in den Aufbau von Ausbildung durch Ausbildungspatenschaften investieren. Unser Projekt in Uganda hat da Vorbildfunktion und läuft hervorragend. Nur die Spender müssen noch von der Wichtigkeit dieser Investition überzeugt werden. Denn, seien wir mal ehrlich, es rührt uns nach wie vor mehr an, ein kleines Mädchen oder einen kleinen Jungen zu sehen, den wir fördern möchten, als einen Jugendlichen.

Waisenheim in Bolgatanga

Bei unserem Besuch des Waisenheims in Bolgatanga stellte sich bei mir direkt der Eindruck einer Großfamilie ein. Hier leben zurzeit 19 Kinder und Jugendliche. Die Heimeltern, Isaiah und Janet bekommen oft Anfragen, ob sie noch mehr Waisen aufnehmen können und wir überlegen, das Projekt zu erweitern.

Der Umgang der Kinder und jungen Erwachsenen untereinander zeigt Familienstrukturen. Die Großen kümmern sich um die Kleinen, ermahnen, kümmern sich liebevoll und nehmen Elternfunktion ein. Ein Neubau soll die sehr beengte Situation in der Unterkunft verbessern, damit gerade die Jugendlichen ein wenig mehr Privatsphäre bekommen und nicht alle gemeinsam in einem Raum leben müssen. Der Rohbau ist fast fertig gestellt. Es fehlen nur noch einige Steinreihen und das Dach.

Nachdem wir auch im Waisenheim mit Liedern begrüßt wurden, verteilten wir auch hier Spielzeug und Geschenke. Bei der Abreise wollten uns die Kinder diese wieder mit zurückgeben. Sie dachten, es sei nur eine Leihgabe während unseres Aufenthaltes. Um so größer war die Freude, als sie hörten, dass diese nun ihnen gehören und sie spielten direkt auf der Straße gemeinsam weiter Frisbee, das hier kaum einer kannte.

Und auch hier in Ghana schauten wir uns noch ein neues Projekt an, das uns zugetragen wurde, bevor es zurück gen Heimat ging.

Ich bin sehr froh und dankbar, dass ich diese Reise gemeinsam mit meinem Kollegen und Afrika-Beauftragten Michael Miezal, Wolfgang Brunßen und Moses Khanu machen durfte. Es macht einen großen Unterschied, ob man die Kinder nur als Nummer auf dem Papier sieht, oder in ihre Lebenssituation vor Ort Einblick erhält. Und es hat mich noch mal ganz neu motiviert und dankbar gemacht, dass ich Teil eines Ganzen sein darf, die diese Leben positiv verändern möchte. Gemeinsam mit unseren Spendern, ohne die diese Hilfe nicht möglich wäre. Und mit Gottes Hilfe.

Autorin: Andrea Sedlaczek, Fundraising und Kommunikation Inter-Mission