60 Jahre Inter-Mission: Es geht um Jesus

Markus, wie kommt ein Hippie, Songwriter, Sänger und Schauspieler zur Inter-Mission?

Achim und Dagmar Schneider hatten die Inter-Mission 1964 gegründet, als Antwort auf die geistliche und materielle Not in Indien, besonders unter Kindern. Auch die randständigen Menschen in Hannover – Rocker, Gammler, Drogenabhängige – lagen ihnen am Herzen. Neben ersten Kinderheimen in Indien entstand damals in Hannover der „Jesus-Treff“ im Rotlichtviertel. Menschen konnten bei einer Tasse Tee in Gesprächen von Jesus Christus erfahren. Als Achim 1972 von der Bekehrung einiger Schauspieler des Musicals Hair hörte, spürte er mich auf und holte mich ins Boot der Inter-Mission. Ich fand Gemeinschaft und ein weites Feld, um viele junge Leute für Jesus zu erreichen. Dabei spielte auch Musik eine wichtige Rolle. Es entstanden viele neue Songs und letztlich auch die Band „Semaja“, mit der wir in Jugendzentren, Discos und Clubs auftreten und Mut zum Glauben an Jesus Christus machen konnten.

Wann warst du das erste Mal in Indien?

Es war 1973. Ich reiste mit einem VW-Variant von Hannover nach Madras – als Begleiter unseres Mitarbeiters Jochen Tewes, der dort Lehrwerkstätten für Kinder aus unseren Heimen aufbaute. Danach war ich häufig mit Achim unterwegs, um Gemeinden in Deutschland, Holland und der Schweiz zu besuchen und von Gottes lebendigem Wirken in Indien und Hannover zu erzählen. Ich lernte Freunde und Unterstützer kennen und bekam – auch durch weitere Reisen nach Indien – zunehmend einen tieferen Einblick ins gesamte Werk. Da im Jesus-Treff stetig Menschen zum Glauben kamen, entstand eine Gemeinde, die ins gesamte Umland eine starke Ausstrahlung hatte. In dieser segensreichen Zeit trübte sich der Himmel jedoch unerwartet ein.

Was ist passiert?

Der äußerst begabte und engagierte Gründer und Leiter Achim war in eine tiefe persönliche Krise geraten, die es unmöglich machte, dass er die Arbeit weiterführen konnte. In dieser Situation wurde ich vom Vorstand und von seiner Frau Dagmar Schneider gebeten, die Missionsleitung zu übernehmen. Wie sollte ich dieser Aufgabe gerecht werden? Gemeinsam im Team der Verwaltung und Teestube fanden wir zur Überzeugung: Wenn es sich hier um Gottes Werk und nicht das eines Menschen handelte, konnte er uns auch befähigen, diesen Dienst im Segen weiterzuführen. Für mich und meine Frau Dagmar war das eine extreme Zeit mit vielen Problemen, Spannungen und Enttäuschungen. Doch Jesus half mir, in dem Meer, in das er mich geschubst hatte, zu schwimmen und den Kopf auch in schweren Phasen über Wasser zu halten.

Wie seid ihr wieder auf die Spur gekommen?

Gott sei Dank gab es ein solides Mitarbeiterteam mit einem versierten Verwaltungsleiter, das die Abläufe in der Spenden- und Patenschaftsverwaltung beherrschte. Über unsere Partnerwerke wurden damals in 20 Kinderheimen schon hunderte Kinder unterstützt, dazu Lehrlinge und einheimische christliche Mitarbeiter. Zur Bündelung und Betreuung dieser Kontakte hatte Jochen in Madras ein indisches Büro eingerichtet, die Inter-Mission Industrial Development Association. Das Bombay-Projekt unter Leitung von Peter Will hatte den Fokus auf Kinder aus den Rotlichtvierteln der Megacity. Und in Hannover gab es den Trägerverein Inter-Mission mit seinem Vorstand, der sich damals nur jährlich traf. Mir war wichtig, den Vorstand stärker mit einzubeziehen. Es gab immer noch viel Licht, aber auch viel Schatten in dieser Krisenzeit. Viele Spender für Indien verloren das Vertrauen. Auch die Teestuben- und Gemeindearbeit wurde extrem erschüttert – verschiedene Arbeitszweige mussten eingestellt werden.

Würdest du den „Job“ Missionsleiter wieder annehmen?

Wenn einen Jesus ruft, kann man das als Mensch, der sich als Gottes Eigentum versteht, nicht wirklich ablehnen. Das hat ja schon Jona durchexerziert. Insofern würde ich auch wieder Ja sagen, wenn ich nochmal jung wäre. Auch, weil ich erlebt habe, wie Jesus diese Aufgabe, die ich nie als mir auf den Leib zugeschnitten empfunden habe, gebraucht hat, um mich im Glauben zu festigen. Die schweren Lasten, die oft zu tragen waren, haben mich gelehrt, bei Jesus immer wieder Hilfe, Rat, Führung und innere Stärkung zu suchen. Das hat mich geistlich und menschlich frisch gehalten und immer wieder fröhlich werden lassen.

Was bedeutet dir Jesus Christus?

Er ist für mich der lebendige Gott, der als Auferstandener freundlich, sanft und überwältigend in mein Leben trat, als ich fertig, hoffnungslos und ohne Perspektive war. Er schenkte mir Leben auf einer völlig neuen Grundlage. Von ihm war ich so ergriffen, dass ich alles – meine Kariere als Sänger und Schauspieler, meine Heimat, Freunde und vieles mehr – hinter mir ließ und ihm einfach folgte. Durch ihn bin ich ein Kind des himmlischen Vaters. All mein Versagen, meine Schuld, meine Verirrungen hat er ein für alle Mal weggenommen. Mit allem kann ich jederzeit zu ihm kommen und bei ihm Vergebung und Annahme finden. Er gibt Ruhe im Sturm und Frieden in friedlosen Zeiten. Ihm muss ich nichts beweisen. Vor ihm muss ich mich nicht verbiegen. Er ist mein geduldiger Lehrer und Erzieher auf ein Leben hin, das nicht im Grab endet, sondern in Dimensionen mündet, die ich jetzt bei weitem noch nicht erfassen kann. Mit Jesus Christus leben ist und bleibt spannend.

Gab es Niederlagen? Was würdest du heute anders machen?

Da wir nicht gegen Fleisch und Blut kämpfen, habe ich nicht gegen Menschen gekämpft und deshalb auch keine Erinnerung an Niederlagen. Es gab natürlich schmerzhafte Erfahrungen: wenn wertvolle Freundschaften im Dienst zerbrachen, wenn Menschen, von denen ich es nicht erwartet hätte, mich enttäuschten oder massiv verletzten. Sehr schmerzhaft war auch, dass wir uns von zwei großen Projekten trennen mussten, in die wir viel Arbeit, Gebet und Finanzen investiert hatten. Natürlich machte ich auch viele Fehler, aus denen ich hoffentlich gelernt habe. Aber grundsätzlich würde ich heute nichts anders machen als damals. Die Umstände waren ja, wie sie zu der Zeit eben waren – und ich war die Person, die ich war.

Dein schönstes Erlebnis mit Gott?

Jesus hat mir viele schöne Erfahrungen geschenkt. Die Größte war, als er mir die Augen öffnete und ich begriff, dass er selbst, Jesus Christus, die Antwort auf all mein Suchen und Fragen ist. Plötzlich an ihn glauben zu können, das war überwältigend!

Wie hat sich die Inter-Mission in den 34 Jahren deiner Leitung entwickelt?

Langsam, stetig und solide. Wir sind ein Glaubenswerk geblieben. Wir haben nicht gebettelt, dafür viel gebetet und Gott vertraut, dass er gesundes Wachstum schenkt. Ich war nie der typische Missionsleiter, der mitreißende Redner, der ergreifende Kommunikator. Aber Jesus schenkte uns auf seine Weise neue wunderbare Spender und Freunde. In Indien nahm die Zahl der Kinderheime kontinuierlich zu. Das Agape-Projekt in Mumbai wuchs. Später erfolgte die Veränderung der Arbeit, eher weg von Heimen, mehr hin zur Förderung bedürftiger Kinder in Dorfentwicklungsprojekten. In Sierra Leone konnten wir unseren ersten Arbeitszweig in Afrika starten. Über viele Jahre durften wir in Hannover im „Kaffee-Pott“ obdachlosen und gestrandeten Menschen mit Evangelium, Mahlzeiten und praktischer Hilfe dienen. Es öffneten sich Türen nach Nepal, sodass wir die Arbeit in Asien erweitern konnten …

Warum interessiert dich Indien so?

Ich war von der Hippiebewegung geprägt, da hatte Indien seine Faszination. Bei meiner ersten Reise, 1973 mit Jochen Tewes, verliebte ich mich ins schlichte, einfache Leben in ländlichen Gebieten, die Natur und die liebenswerten, oft verrückt aussehenden Menschen. Ich war erschüttert von der allgegenwärtigen Götzenverehrung in kleinen Schreinen am Straßenrand und den riesigen Tempelanlagen. Hierhin das Evangelium zu tragen und Menschen in äußerster Armut, besonders Kindern und Jugendlichen, beizustehen – das hat sich mir ins Herz gebrannt. Ich bin zutiefst überzeugt, dies entspringt Gottes Herzen. Deshalb hat er die Inter-Mission ins Leben gerufen und für den Dienst in diesem Land berufen.

Woher kommt deine Liebe zu Kindern in Not?

Liebe kommt immer von Gott. Aber: Auch meine Mutter war als Findelkind vor einem Zufluchtshaus in Basel abgelegt worden und durfte bei wunderbaren Adoptiveltern aufwachsen. Und mein Vater ist in einem Kinderheim großgeworden, weil seine Familie zerbrochen war. Mein eigener Familienhintergrund hat mich immer wieder ermutigt, Kindern in Not beizustehen, weil ihr Leben tatsächlich auf eine gute Bahn kommen kann.

Konntest du deine musikalischen Gaben in der Inter-Mission ausleben?

Tatsächlich musste ich das Musikmachen ab einem bestimmten Punkt völlig aufgeben. Das war schmerzhaft. Aber in der Leitung waren meine ganze Zeit, Kraft und Konzentration gefordert. Gott sei Dank blieb mir meine Gitarre und mein Singen als meine ursprünglichste Gabe. Ich sang auf meinen Auslandsreisen oft bei Versammlungen, Gottesdiensten und evangelistischen Konzerten. Besonders zuhause fühlte ich mich, wenn ich Kinder mit Jesus-Songs und Spirituals begeistern konnte. Ich war bekannt als der „Leileilei-Uncle“, weil es den Kindern in den Heimen ein Song mit schlichtem „Leileilei“-Refrain besonders angetan hat. – Für mich persönlich waren die Lobpreislieder ein Geschenk. Da ich viele davon in mir gespeichert hatte, konnte ich sie als geistliche Waffe laut singen, zum Beispiel auf meiner Autofahrt zur Arbeit. Sie halfen mir immer wieder, dunkle Wolken zu durchbrechen und befreiter zu beten.

Was möchtest du den heutigen Mitarbeitern der Inter-Mission mitgeben?

Vergesst nie, dass ihr nicht einfach einen Job macht und eine Position ausfüllt. Ihr dient Jesus, dem höchsten König! Es geht um sein Reich und um seine Sache.

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