Bericht unseres Afrika-Beauftragten

Seit Jahren bin ich immer wieder tief berührt, wenn ich die Schule besuche. Die fröhlich-frische Stimmung, die familiäre Herzlichkeit, die Welcome-Songs, in deren Text die Namen der ausländischen Besucher eingebaut werden, wenngleich nicht leicht für Sierra-Leoner auszusprechen. Die Dankbarkeit für die Hilfe von deutschen Spendern gepaart mit der liebenswürdigen Bitte um noch mehr Unterstützung, die jene als dreist empfinden mögen, die mit der sierra-leonischen Kultur nicht vertraut sind. Das starke Gottvertrauen, das im Singen und Beten zum Ausdruck gebracht wird. All das sind Erinnerungen an viele Besuche, die mich jedoch auch immer wieder ein wenig ratlos machen ob der harten Realität für blinde und sehbehinderte Menschen dort. 

Wenn Du blind bist, bist Du verflucht

Eine Sehschädigung ist schlimm genug, aber in einem der weltweit ärmsten Länder kommt hinzu, dass man ausgegrenzt, stigmatisiert und seiner Bildungschancen beraubt wird. Manche Familien verstecken ihre blinden Kinder - in der Annahme, sie seien verflucht. „In Afrika ist es fast besser, tot zu sein als blind“, brachte es der britische Journalist Richard Dowden einmal auf den Punkt.

Gemeinsam mit dem BMZ

 (Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung)

Meine ersten Ansprechpartner waren Annette Hallenberger und Sabine Hässler-Hahm, sonderpädagogisch qualifizierte Lehrerinnen aus Schleswig, die seit vielen Jahren die Blindenschule mit starkem ehrenamtlichem Engagement begleiten und zusammen mit weiteren Freunden regelmäßig aktiv vor Ort mitarbeiten, auch in der Fortbildung von Lehrkräften. Gemeinsam fassten wir den mutigen Entschluss, einen weiteren Förderantrag beim BMZ zu stellen. Nach ausführlichem Gedankenaustausch, mehrstündigen Telefonaten und viel Mailverkehr war das Konzept erstellt. Inzwischen ist der Antrag eingereicht und wir hoffen auf eine positive Rückmeldung und Genehmigung. Uns ist es wichtig, nicht nur ein Schulgebäude zu errichten, sondern Lehrerinnen und Lehrer für die besonderen sonderpädagogischen Herausforderungen zu schulen und weiterzubilden. 

Fünf Fachleute fliegen zu Schulungszwecken nach Sierra Leone

Fünf Fachleute aus Schleswig wollen im nächsten Jahr die Osterferien nutzen um nach Sierra Leone fliegen. Eigentlich hätten es sechs sein sollen. Doch mitten hinein in die Arbeit am Projektantrag kam die traurige Nachricht, dass Annette Hallenberger an Krebs erkrankt ist. Sie, die sich viele Jahre ehrenamtlich für die Belange der Blindenschule einsetzte, die andere inspiriert und mitgenommen hat, die fröhliche Christin, der unsere Gebete wichtig waren, sagte mir bei unserem letzten Telefongespräch bescheiden und hoffnungsvoll, dass sie nichts dagegen habe, wenn Gott ein Wunder täte. Er tat es nicht. Annette starb schon nach wenigen Wochen. Bei uns und in Sierra Leone löste das Bestürzung und tiefe Traurigkeit aus, auch in der Blindenschule, wo man Annette als Teil der Familie betrachtete und sie liebevoll „Anita“ nannte, weil das besser auszusprechen war. Sie liebte die blinden und sehbehinderten Kinder. Oft dachten wir gemeinsam darüber nach, wie man ihre Lebens- und Lernsituation verbessern könne. Annette hat etwas bewegt und bei aller Trauer sind wir davon überzeugt, dass sie sich freuen würde, wenn wir diesen Weg weitergehen und uns weiterhin für die Bombali School for the Blind engagieren. Auch deshalb wollen wir die Projektidee verwirklichen und uns für eine inklusive Sekundarschule in Makeni einsetzen.

Weltweit gibt es schätzungsweise rund 250 Millionen blinde oder sehbehinderte Menschen 

Fast 90% von ihnen leben in den ärmsten Ländern, die von medizinischer Unterversorgung besonders betroffen sind. In Sierra Leone gibt es nur 6 Augenärzte. Damit ist statistisch gesehen ein Augenarzt für 1.300.000 Menschen zuständig (in Deutschland für etwa 11.000). Als Jesus auf der Erde lebte, machte er viele blinde Menschen sehend. Sie waren ihm wichtig. Wir mögen sie nicht heilen können, wollen aber mit dem geplanten Projekt einen Beitrag zur Verbesserung ihrer Bildungs- und Berufschancen und ihrer Lebensqualität leisten, weil sie auch uns wichtig sind.

Autor: Michael Miezal (Projekte und internationale Kooperationen)